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"Schreibende Busfahrerin" hat viel zu erzählen

30. 10. 2021

Man nennt sie die „schreibende Busfahrerin“. Susanne Schmidt hat bei den Berliner Verkehrsbetrieben BVG in diesem Beruf gearbeitet. Eine Zeit saß sie am Steuer von Linienbussen, besonders gerne von Doppeldeckern. „Machen Sie mal zügig die Mitteltüren frei“, heißt ihr Buch, das Schmidt beim Göttinger Literaturherbst öffentlich vorstellte – stilgerecht in einem Bus der Göttinger Verkehrsbetriebe, der auf dem Göttinger Marktplatz aufgestellt war.

Schmidt saß im Gang des Busses, neben ihr NDR-Moderator Joachim Dicks, und schaute auf die rund 100 Zuschauerinnen und Zuschauer. Schmidt, Jahrgang 1960, ist das, was man vielseitig nennen kann und muss. Sie war Erzieherin, Drehbuchautorin, Stadtführerin, Pförtnerin und Social-Media-Managerin. „Diese Berufe haben alle mit Menschen zu tun“, erzählt Schmidt. So fand sie es reizvoll, sich bei den BVG zu bewerben, die bewusst ältere Frauen einstellen wollte. Vorteil für die BVG: Frauen verursachen weniger Unfälle und wirken deeskalierend. Freunde ermunterten sie trotz der männlich geprägten Unternehmenskultur. Doch schon in der Ausbildung schlug ihr Skepsis der meist männlichen Kollegen entgegen.

Schmidt steuerte ihre Busse ohne Probleme durch den Straßenverkehr der Hauptstadt. Als belastend bewertet sie die ständig wechselnden Arbeitszeiten. Mal ging es um 3.33 Uhr auf Tour, mal um 5.47 Uhr. „Isst man nachts um 2.30 Uhr eigentlich Frühstück oder ist das ein verspätetes Abendessen?“ Und mit dem Dienst an Feiertagen, der Belastung für das Privatleben und den ständig wechselnden Routen konnte sie sich nur schwer anfreunden. Sie schilderte dem Publikum die Verschmutzung der Toiletten an den Endhaltestellen, die für Frauen schwerer erträglich sind als für Männer.

Schwierigkeiten gab es mit uneinsichtigen Fahrgästen, die im Bus essen oder trinken wollten. Nette Fahrgäste wiederum hätten mit ihr geflirtet, Blumen mitgebracht oder sich freundlich bedankt. Sie hätten ihren Alltag bereichert, sagte die insgesamt positiv gestimmte Frau – und kündigte letztlich doch den Job. Auf ihrer Lesung warb sie ebenso für bessere Arbeitsbedingungen für das Fahrpersonal wie in einem persönlichen Gespräch mit BVG-Chefin Eva Kreienkamp. (gaf)

 

Bild zur Meldung: Die "schreibende Busfahrerin" Susanne Schmidt und Moderator Joachim Dicks im Gespräch. Foto: Aschoff